Kann der Anwalt es sich leisten, auf beA „zu verzichten“?
Interview mit Rechtsanwalt und Notar Ulrich Volk*
150908 beA – Interview mit Rechtsanwalt und Notar Ulrich Volk
*Ulrich Volk, Jahrgang 1953, ist ein erfahrener Anwalt. Er leistet es sich, kein Smartphone zu besitzen, ist stolz auf sein Personal. Auf seinem Schreibtisch stehen zwei große Monitore, die braucht er, um optimal zu arbeiten. Ilona Cosack hat den Pionier befragt, welche Tipps zum Start des beA wichtig sind.
Ilona Cosack:
Herr Volk, Sie sind seit bereits seit 1980 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2010 auch als Notar bestellt. Seit 2013 sind Sie Vorsitzender des Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr im DAV.
Seit wann nutzen Sie persönlich schon den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) und was war der Anlass?
Ulrich Volk:
Zum ERV bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Eine Mandantin von mir, eine große Versicherung, war der Grund. Seit nunmehr fünf Jahren ist der ERV aus unserem Kanzleialltag nicht mehr wegzudenken, im Laufe dieser Zeit habe ich mehr als dreitausend Schriftsätze über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) verschickt.
Ilona Cosack:
Welche Vorteile bietet der ERV? Sie sitzen ja in einem sogenannten Leuchtturmland, in Hessen, dort ist der Zugang zum ERV bei fast allen Gerichten eröffnet.
Ulrich Volk:
Der ERV hat große Vorteile. Er bietet eine Entzerrung der Abläufe. Wenn ich nur beispielsweise an eine Streitverkündung in einer komplexen Bausache denke, mit 150 Anlagen, da werden die Vorteile schnell deutlich. Aber auch in allen anderen Bereichen gibt es Einsparpotentiale, wenn die Arbeitsabläufe in der Kanzlei gemeinsam mit den Mitarbeitern überdacht werden und z.B. die Portokosten sich halbieren.
Ilona Cosack:
Herr Volk, welche Tipps und Ratschläge geben Sie Ihren Kollegen für die Umsetzung des ERV in der Praxis?
Ulrich Volk:
Wichtiges Unterscheidungsmerkmal des derzeitigen EGVP und des neuen besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) ist die Besonderheit, dass beA kein Archiv ist. Das EGVP ist ein hervorragendes Archiv, man kann nach allen Kriterien selektieren. Das beA ist ein elektronischer Briefkasten, dort geht Post ein und wie bei einem Briefkasten „leert“ man das beA und archiviert die Post – je nach Kanzleiorganisation – entweder nach eigenen Kriterien oder in einer Anwaltssoftware. Die Softwarehersteller werden Schnittstellen zum beA anbieten, so dass man in seiner gewohnten Umgebung in der elektronischen Akte weiterarbeiten kann.
Ilona Cosack:
Nutzen Sie in Ihrer Kanzlei auch die Vorteile einer „elektronischen Akte“?
Ulrich Volk:
Ja, wir nutzen die elektronische Akte und legen in der Historie Unterordner an, damit man schnell die passenden Vorgänge findet: So gibt es Unterordner für die Gerichtskorrespondenz, für die Korrespondenz mit dem Mandanten, für die Abrechnungen und auch einen Unterordner für die EGVP-Protokolle, dort werden die Eingangsbestätigungen gesammelt. Auch die Wiedervorlagen werden hier nur noch elektronisch bearbeitet. Mein Tipp: das digitale Diktat bringt ebenfalls Erleichterung für den Anwalt und die Mitarbeiter.
Ilona Cosack:
Gibt es in Ihrer Kanzlei noch Papier und Papierakten?
Ulrich Volk:
Ja, derzeit führen wir die Akten noch parallel. Der Anwalt entscheidet, was eingescannt wird. Dabei gehen wir schon einen Schritt weiter: Eingangspost vom Gericht ohne Nutzen (…zur Kenntnisnahme…) wird vernichtet, die Anlage dann mit einem Verfügungsstempel versehen (scannen + zdA = auch in die Papierakte), (scannen = nur in die elektronische Akte). Zu Gericht gehe ich mit der Papierakte.
Ilona Cosack:
Viele Ihrer Kollegen stehen dem ERV und beA ja eher skeptisch gegenüber. Mit welchen Argumenten überzeugen Sie Ihre Kollegen?
Ulrich Volk:
Neben der deutlichen Kostenersparnis sollten die Kollegen die Chance nutzen, den Teambildungsprozess in der Kanzlei zu fördern. Man rückt enger zusammen. Dabei kommen gute Ideen: Meine 16-jährige Auszubildende hat vorgeschlagen, die zusammengeklammerten Unterlagen, die ja beim Scannen einzeln benötigt werden, einfach an der Ecke abzuschneiden. So sparen wir Zeit und machen uns das Leben etwas leichter.
Ilona Cosack:
Herr Volk, vielen Dank für die Einblicke, die Sie uns gewährt haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Freude bei der Nutzung des ERV und geben Ihr Versprechen gerne weiter: Ab 1.1.2016 werden Sie die Korrespondenz mit allen Anwaltskollegen nur noch über das beA führen!