Kein Aufschub für das Anwaltspostfach beA

Die aktive Nutzungspflicht bleibt

Zeitgleich mit der Erhöhung der Anwaltsgebühren, für die am 25. November 2020 im Bundestag grünes Licht gegeben wurde, wurde der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bis ins Jahr 2025 zurückzustellen, abgelehnt.


Passive Nutzungspflicht: Keine Wiedereinsetzung für Anwälte, die ihr beA nicht abrufen

Rechtsanwalt Alessandro Fuschi https://twitter.com/SoWhy teilt in seinem Blog mit:

„Mein Hausgericht, das Amtsgericht Ebersberg hat einen interessanten Beschluss gefällt, wonach eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) nicht gewährt werden kann, wenn das Fristversäumnis darauf zurückzuführen ist, dass das beA nicht abgerufen wurde.

Die Kollegin, die sich selbst vertreten hatte, wollte damit argumentieren, dass sie corona-bedingt keinen Lehrgang zum beA besuchen konnte. Dem hat das AG Ebersberg mit Beschluss vom 11.11.2020 einen Riegel vorgeschoben.

Entscheidender Satz aus dem Beschluss:

Die Organisation des Kanzleibetriebs liegt in der alleinigen Verantwortung des Rechtsanwalts. Wenn das elektronische Postfach nicht bedient wird und deshalb gerichtliche Zustellungen unbemerkt bleiben, liegt das im Verschulden des Rechtsanwalts: eine Wiedereinsetzung erfordert aber das unverschuldete Versäumen einer Frist.

 

Als besonderes “Zuckerl” hat das Gericht die Sache auch der Rechtsanwaltskammer München zur Prüfung vorgelegt. Mit Blick auf die Entscheidung des AnwG Nürnberg, Urteil vom 06.03.2020 – Az. AnwG I-13/19, 5 EV 42/19 – könnte das noch ein berufsrechtliches Nachspiel für die Kollegin haben.“ (vgl. dazu auch https://bea-abc.de/blog/ber-ist-startklar-und-bea/)

Welches Bundesland zieht die aktive Nutzungspflicht ab 1.1.2021 vor?

Im E-Justice-Gesetz befindet sich die Option für die Länder, den Zeitpunkt der aktiven Nutzungspflicht auf den 1.1.2020 oder den 1.1.2021 vorzuziehen (Art. 24 Abs. 2).

Schleswig-Holstein hat als bisher erstes und einziges Bundesland seit 1.1.2020 die aktive Nutzungspflicht für die Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet, Schriftsätze müssen ausschließlich elektronisch eingereicht werden. Am 25.3.2020 entschied das LAG Schleswig-Holstein (6 Sa 102/20), dass eine Berufungseinlegung per Fax unwirksam ist.

Hessen gibt als einziges Bundesland auf seiner Webseite den Hinweis:

„Hessen macht von der Option, die elektronische Einreichung von Schriftsätzen bereits ab dem 1. Januar 2021 per Verordnung verbindlich zu machen, keinen Gebrauch.“

Die Justizministerien der anderen Bundesländer geben hierzu auf den Webseiten keinerlei Hinweise, die Landesverordnungen enthalten bislang ebenfalls keine Vorgaben.

Daher habe ich sämtliche Justizministerien kontaktiert und um Auskunft gebeten, ob und ggf. in welchen Gerichtsbereichen ein Vorziehen der aktiven Nutzungspflicht zum 1.1.2021 beabsichtigt ist.

Schleswig-Holstein

Die Projektleitung eJustizSH des Ministeriums für Justiz in Kiel teilte für Schleswig-Holstein mit:

„Ein Vorziehen des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs für den Bereich der schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist geprüft worden. Nach Abschluss der Anhörung zu einem entsprechenden Verordnungsentwurf wird jedoch aufgrund der divergierenden Stellungnahmen von einem entsprechenden Verordnungserlass abgesehen. Es verbleibt daher für alle schleswig-holsteinischen Gerichte jenseits der Arbeitsgerichtsbarkeit bei dem Termin 1.1.2022 für die verpflichtende elektronische Einreichung. Gleichwohl wird empfohlen und angeregt, von der Möglichkeit der elektronischen Einreichung bereits jetzt Gebrauch zu machen.“

Damit wird auch Schleswig-Holstein bei den weiteren Gerichten nicht vorziehen.

Bremen
Bereits im August 2020 hatte die Rechtsanwaltskammer Bremen mitgeteilt, dass ab 1.1.2021 die aktive Nutzungspflicht für die Fachgerichtsbarkeit eintreten würde.
Auf meine Nachfrage, ob dies tatsächlich der Fall sei, teilte mir der Leiter der IT-Stellte Justiz der Senatorin für Justiz der Freien Hansestadt Bremen mit:

„Wir prüfen derzeit das Vorziehen des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs für die Fachgerichte (mit Ausnahme des Landessozialgerichts Bremen-Niedersachsen, welches logistisch in Niedersachen verankert ist) und befinden uns dazu momentan in der internen Abstimmung mit den weiteren Ressorts in Bremen. Sobald wir Gewissheit haben, ob wir die geplante Verordnung rechtzeitig umsetzen können, werden wir die Rechtsanwaltschaft hierüber über geeignete Wege in Kenntnis setzen.“Auf meine Nachfrage teilte die Justiz mit:

„Die Information ist nicht überholt. Sie ist allerdings etwas ungenau. Wir haben der RAK mitgeteilt, dass wir die Einführung der aktiven Nutzungspflicht im angegebenen Umfang beabsichtigen.“

Noch fehle es an dem Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung. Ich bin mit dem Leiter der IT-Stelle in Kontakt, um den tatsächlichen Erlass der Rechtsverordnung bestätigt zu erhalten.

Per 30.11.2020 war eine abschließende Entscheidung noch nicht getroffen.

Update 9.12.2020: Am 8.12.2020 wurde die Verordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für die Fachgerichtsbarkeiten mit Ausnahme des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum 1. Januar 2021 beschlossen.

Alle anderen Bundesländer verzichten auf das Vorziehen zum 1.1.2021.

Da viele Gerichte noch nicht in der Lage sind, Eingänge im ERV elektronisch weiterzuleiten, wäre das Vorziehen mit einem erheblichen Mehraufwand für die Gerichte verbunden. Schließlich bleibt dann nichts anderes übrig, als die Eingänge aus dem beA mehrfach auszudrucken und per Briefpost an die Beteiligten weiterzuleiten.

Noch arbeiten die Bundesländer mit unterschiedlicher Software. Aktuell wird landesübergreifend eine gemeinsame Fachanwendung für die Justiz entwickelt. Ab 2026 ist die Justiz gesetzlich verpflichtet, elektronische Akten führen.

Es bleibt spannend. Wir werden sehen, wie die Gerichte den elektronischen Rechtsverkehr und die Digitalisierung umsetzen.

Die Anwaltschaft sollte im Jahr 2021 die Digitalisierung der eigenen Kanzlei voranzutreiben. Der ERV bietet die Chance, die Arbeitsabläufe zu überdenken und das digitale Arbeiten zu fördern. Durch die Corona-Pandemie sind viele Kanzleien schneller als gedacht ins Home-Office gewechselt und haben – getrieben von der Notwendigkeit, digital zu arbeiten – erstaunlich schnell Lösungen gefunden, um arbeitsfähig zu bleiben.